Liebes Tagebuch,
du merkst wahrscheinlich schon an diesen beiden kleinen Wörtern, dass etwas anders ist als sonst. Denn normalerweise fangen meine Einträge nie so an. Mit „Liebes Tagebuch“ habe ich dich vielleicht noch als Kind angesprochen, weil ich dachte, dass man das so machen muss, um auch wirklich offiziell ein Tagebuch zu schreiben. Das hat für mich quasi dazugehört. Aber heute haben meine Einträge eigentlich kaum noch etwas damit zu tun. Sie haben keine bestimmte Form, oft schreibe ich nicht mal ganze Sätze in dich hinein, sondern nur Gedankenfetzen oder Stichworte. Einfach alles, was eben gerade so rauswill. Ungefiltert und echt. Aber das ist auch nicht schlimm, denn du verurteilst mich nie dafür.
Du hilfst mir immer, mich und meine Gefühle besser zu verstehen und gibst mir vor allem den Raum, all das selbst herauszufinden. Manchmal ist es Wut, die mich gleich mehrere Seiten am Stück schreiben lässt, fast so als würde da ein kleiner Wirbelsturm übers Papier fegen. Und die Seiten sind schneller voll, als ich gucken kann. Andere Male muss ich erst einmal Seiten lang über irgendetwas Unwichtiges schreiben, bevor ich dann doch merke, was dieses undefinierbare Gefühl in mir eigentlich zu sagen hat. Aber auch diese Zeit gibst du mir, ohne zu drängeln oder ungeduldig zu sein. Selbst wenn du schon vorher geahnt hast, dass ich mir selbst etwas vormache und du das eigentliche Problem schon erkennen konntest.
Ich weiß, dass du ein sicherer Ort bist – nicht nur für all die Gedanken und Gefühle, die ich mit niemandem teilen möchte, oder nur mit mir ausmache. Und eben mit dir. Du bewahrst auch all die kostbaren Momente für mich auf. Die, in denen ich stolz auf mich bin und bei denen ich erst im Schreiben merke, wie mutig ich da gerade eigentlich war. Und wie weit ich schon gekommen bin. Dann feierst du mit mir und wir kommen zusammen so richtig in Fahrt, denn von falscher Bescheidenheit hältst du nichts. Das hast du mir immer wieder gesagt, bis ich es auch selbst angefangen habe zu glauben. Und das tut nicht nur wahnsinnig gut, sondern ist auch total befreiend.
Und normalerweise sieht Schreiben bei mir eben so aus: Ich schreibe mit dir für mich. Oder über mich und meine Gefühle für andere. Aber heute, da wollte ich auch endlich mal für dich schreiben, denn ich fand, das ist längst mal überfällig. Es ist Zeit Danke zu sagen – für all das, was du in den letzten Jahren für mich warst: Ein guter Freund, Zuhörer, Seelentröster und auch der ehrliche Spiegel, in den ich oft nicht schauen wollte. Du warst und bist immer wieder genau das, von dem ich vorher noch gar nicht wusste, dass ich es überhaupt brauche. Und deshalb bin ich einfach nur froh, dass es dich gibt.
Deine Anna