Abends am Fenster

Ich liebe diese Abende am Fenster, wenn ich von dem Schlafengehen nochmal kurz mein Zimmer durchlüfte. Eigentlich will ich nur ein bisschen frische Luft hereinlassen, damit ich besser schlafen kann und es angenehm kühl ist. Aber irgendwie wird daraus doch immer wieder mehr. Und schneller als ich gucken kann, sitze ich auf dem Sessel, der direkt an meinem Fenster steht. Ich schaue hinaus und tauche ein in die Dunkelheit.

Diese Minuten haben so eine unglaubliche Geborgenheit und Friedlichkeit an sich, die mich jedes Mal fast magisch anziehen. Die Welt kommt nach einem langen Tag endlich zur Ruhe und ich gleich mit ihr mit. Ich muss nichts mehr tun oder erledigen, sondern lausche einfach nur den Geräuschen der Nacht. Dem Rauschen der letzten Autos in der Ferne und dem leisen Rascheln in den Büschen nebenan. Vielleicht war das ein Igel, oder doch eine Katze? Vereinzelt höre ich ein paar Hunde bellen, die gerade mit ihren Besitzern die letzte Runde des Tages drehen. Und wenn ich Glück habe, gibt die Amsel im Gingko mal wieder ihre Melodien zum Besten und singt mir ein kleines Abendkonzert. Die Straßenlaternen leuchten warm und auch in den Fenstern der Häuser gegenüber brennt vereinzelt noch Licht. Aus der Entfernung kann ich die Silhouetten der Menschen erkennen und überlege mir, was sie wohl gerade machen. Wie verbringen sie den Abend? Gehen sie auch schon ins Bett, oder gehören sie eher zu den Nachteulen, die jetzt erst so richtig aktiv werden?

Während ich in meinen Gedanken versunken bin, merke ich auf einmal, dass es inzwischen deutlich abgekühlt ist und mir ein leichter Wind um die Nase weht. Eigentlich ist es schon fast zu frisch, um noch länger hier sitzen zu bleiben. Und vielleicht sollte ich mir stattdessen lieber schon mal die Zähne putzen. Das wäre doch vernünftig. Aber die Zeit hier tut einfach zu gut, um mich jetzt schon loszureißen. Und deshalb wandert mein Blick doch noch einmal nach oben in den Himmel ins tiefe Blau. Zwischen den vereinzelten Wolken kann ich den kleinen Wagen erkennen – ihn suche ich immer zuerst. Das mache ich schon so, seit ich klein bin. Ich beobachte die Sterne und hoffe dabei heimlich, dass ich vielleicht sogar eine Sternschnuppe sehe. Das ist mir bisher zwar noch nie passiert, aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Deshalb denke ich jedes Mal aufs Neue: Bestimmt ist es heute so weit. Und alleine die Vorfreude darauf macht mich schon ganz glücklich. Egal ob ich sie dann auch wirklich sehe, oder nicht.

Mit diesem letzten Blick nach oben weiß ich, dass es jetzt langsam wirklich Zeit ist wieder “reinzugehen”. Mein Zimmer ist inzwischen längst gut durchgelüftet und ich muss morgen früh raus. Aber einen letzten, kurzen Moment muss ich noch bleiben. Den kann ich mir nicht nehmen lassen, denn er ist wie eine kleine Verabschiedung vom Tag, bei der ich alles von mir abfallen lassen kann, was ich tagsüber erlebt habe. All das kann jetzt ruhen und als Erinnerung in mir gespeichert werden. Ich mache mich bereit für ein neues Kapitel. Und wenn ich mit diesem Gedanken mein Fenster wieder schließe, schließe ich den Tag mit ihm.