Every summer, like the roses, childhood returns.
Marty Rubin
Der Sommer 2020 ist anders als all die Sommer zuvor. Er findet nicht an den fernen Stränden der Welt statt, sondern auf den Balkonen der Stadt, an den Badeseen, in den Parks und in all den kleinen und großen Gärten. Gerade deshalb geht es in diesem Jahr für uns alle darum, den Sommer auch hier zuhause lieben zu lernen. Und das bringt bei mir die Frage mit sich, was der Sommer denn eigentlich für mich bedeutet. Ich war schon immer ein Sommerkind und wenn mich jemand nach meiner liebsten Jahreszeit gefragt hat, musste ich gar nicht erst überlegen, was wohl meine Antwort sein wird. Dann fühle ich mich ganz wohlig und ich muss direkt an all die Dinge denken, die für mich bisher immer dazugehört haben. Das sind die warmen Tage im Schwimmbad, an denen es nur darum ging, das Wetter voll auszukosten. Und das hieß für meine Freundinnen und mich dann meistens, dass wir mit einer Portion Pommes auf der Wiese gelegen haben, bis wir wieder bereit waren für die nächste Abkühlung im Wasser. An diesen Tagen war es irgendwie so viel leichter als sonst, im Moment zu leben, denn wir mussten nicht produktiv sein oder schnell irgendwohin. Wir konnten einfach nur in die Gegend schauen, all die Menschen auf der Wiese beobachten und es uns gut gehen lassen. Genauso war es für mich auch in den Sommerurlauben, die mir auch direkt in den Kopf kommen – am liebsten die in Italien. Wenn ich dort durch die kleinen, bunten Gässchen mit all den warmen Farben gelaufen bin und sich ein Gefühl von großer Unbeschwertheit in mir breit gemacht hat. Mit dem Geruch von Sonnencreme in der Nase und einem Eis in der Hand, war alles so leicht. Dann habe ich mir manchmal sogar vorgestellt wie es wäre, in dem kleinen Örtchen am Lago Maggiore zu wohnen und dort einen Laden zu besitzen. Was genau ich darin verkaufen wollte, wusste ich gar nicht so richtig. Das war aber auch eigentlich gar nicht wichtig, denn worum es mir dabei ging, war dass ich Teil dieses Lebensgefühls sein wollte. Der Sommer hier war so bunt und voller Leben. Ich fand es einfach toll, wie sehr die Menschen all das genießen konnten und das Leben förmlich in sich aufgesogen haben. So sehr, dass es auch auf mich übergesprungen ist, denn in meinem Urlaub, da war ich irgendwie Teil dieser Leichtigkeit. Doch wo finde ich sie dann jetzt, wenn all das auf einmal wegfällt? Schaffe ich das auch alleine, oder was bleibt überhaupt noch an Gefühlen? Mit all diesen Fragen habe ich mich also auf die Suche gemacht, nach dem Sommer in mir.
Auf der Suche nach Leichtigkeit
Auch wenn ich es zuerst gar nicht gedacht hätte, habe ich das Gefühl vom Sommer tatsächlich sogar ziemlich schnell gefunden. Ich würde sogar fast sagen, dass ich es sogar noch intensiver wahrnehme, als in den Jahren zuvor. Der Ort, an dem ich direkt fündig geworden bin, ist der Garten meiner Eltern. Der Garten mit all seinen Blumen und kleinen Mitbewohnern – von den flauschigen Hummeln bis zu den Schmetterlingen, die um mich herumtanzen. All das hat mir genau das gegeben, was ich sonst an anderen Orten gesucht habe: Die Einfachheit. Hier konnte ich meine Welt wieder ein bisschen kleiner machen und ein wenig von dem Trubel des Alltags rausnehmen. Denn gerade die Tatsache, dass alles so herrlich unaufgeregt ist, macht es so schön. Er strengt sich nicht an, irgendetwas zu sein, sondern er ist echt. Hier gibt es keinen Stress und keine Eile, wenn ich barfuß über die Wiese laufe und mich dabei geerdet fühle, weil ich in dem Moment den Kontakt zum Boden so bewusst spüren kann. Oder wenn ein leichter Wind durch den Garten weht und eine angenehme Abkühlung mit sich bringt, aber gerade nur so viel, dass mir nicht kalt wird. Dann ist das fast wie eine kleine Umarmung der Natur und ich fühle mich geborgen. Diese Einfachheit gibt mir so eine tiefe Ruhe, fast so als würde sie zu mir sagen „Ach Anna, bei mir da musst du gar nichts. Genieß es einfach“. Hier muss ich nichts Aufregendes und Außergewöhnliches erleben, von dem ich später all meinen Freunden berichten kann. Ich kann in aller Ruhe mein Kreuzworträtsel lösen und zwischendurch den Wolken beim Vorbeiziehen zuschauen. Das aufregendste was zwischendurch passiert, ist dann auch schon der Gang nach drinnen, um mir einen frischen Pfirsich oder eine Apfelschorle zu holen. Das sind all die kleinen Momente, von denen ich eigentlich gar niemandem groß erzählen würde, weil sie mir auf den ersten Blick als nicht wichtig genug erscheinen. Das sind die Tage, an die ich gar nicht den Anspruch habe, dass sie besonders werden sollen, denn gerade dadurch, dass sie so unaufgeregt und langsam sind, sind sie ja so erholsam. Und noch während ich im Garten liege, muss ich ein bisschen grinsen – denn ist es eigentlich nicht genau das Gefühl der Unbeschwertheit, das ich sonst immer im Schwimmbad oder im Urlaub gesucht und gefunden habe? Nur dass ich hier meine Portion Pommes und das Schwimmbecken gegen Liegestuhl und Kreuzworträtsel getauscht habe?
Die Wärme in mir
Und damit habe ich für mich ganz genau herausgefunden, was der Sommer für mich bedeutet: Er ist die Leichtigkeit, die Einfachheit und er ist vor allem aber auch das Genießen. Und gerade deshalb bringt er mir ein tiefes Gefühl von Glück. So doll, dass ich manchmal fast ein bisschen wehmütig werde, weil ich weiß, dass der Sommer und dieses Gefühl nicht ewig bleiben werden. Ich weiß, dass auch die letzten Sonnenblumen irgendwann ihre Blätter verlieren werden und dass der Lavendel nicht ewig blühen wird. Es ist ein Moment von kurzem Glück. Aber gerade weil ich weiß, dass es nicht von Dauer ist, genieße ich es noch umso mehr. Ich sauge alles in mich auf und lasse es dort warm werden – ein bisschen so wie die Hauswand, an der ich abends manchmal noch lange gesessen habe, wenn die Luft draußen schon wieder etwas abgekühlt war. Die Steine haben die Wärme des Tages in sich aufgenommen und gespeichert. So sehr, dass sie sie auch noch abends ausgestrahlt haben, wenn die Sonne schon längst untergegangen war. Was ich daran besonders spannend fand: Hat mir die Hauswand damit nicht eigentlich genau das gezeigt, was mir sonst immer im Urlaub das italienische Lebensgefühl gezeigt hat? Je mehr ich etwas genieße und es ganz in mich aufnehme, desto länger habe ich davon. Auch wenn die Zeiten anders und das Wetter kälter wird, habe ich immer noch die Wärme und Leichtigkeit des Sommers in mir, wenn ich sie vorher komplett in mich aufgenommen habe. Und das war eine schöne Erkenntnis, denn sie hat mir gezeigt, dass es eigentlich ganz egal ist, wo ich im Sommer bin und was ich mache. Denn die Leichtigkeit der Menschen in Italien hat nicht einfach nur auf mich abgefärbt, so als hätte ich einen Teil von ihnen mitgenommen. Sie hat vielmehr einen Teil von mir selbst wachgekitzelt, der vorher noch ein bisschen verschlafen war und nur diesen kleinen Funken gebraucht hat, um selbst leuchten zu können. Es war meine eigene Leichtigkeit und meine Sehnsucht nach Wärme, an die ich dort erinnert wurde. Und was ich in diesem Jahr gelernt habe, ist vor allem, dass dieser Funke in mir immer und überall wachgekitzelt werden kann, auf die unterschiedlichsten Weisen. Diese Erkenntnis hat sogar dafür gesorgt, dass es dieses Jahr irgendwie sogar noch mehr mein Sommer ist als sonst, weil es wirklich darum geht, was ich fühle. Es ist fast wie eine Art von Intimität, denn jetzt weiß ich, dass all das immer in mir ist. Ich muss nur richtig hinschauen und vor allem hinspüren.